Über mich
Vom Rollstuhl auf eigenes Pferd
Ein Pfiff und in der brandenburgischen Prärie lässt das Stampfen einer fünfzigköpfigen Herde den Boden erbeben. Vor dem Gatter bremsen die Pferde scharf. Sandra kann sich in diesem Moment noch nicht vorstellen, dass sie später mit einem dieser wunderschönen, kraftvollen, rohen Jungpferde nach Hause fahren wird.
Es ist ein großer Traum, selbst ein Pferd auszubilden. Ihr Blick fällt auf eine junge Quarterhorse-Mix-Stute, die trotz ihres Alters mutig vor ihrem Rollstuhl stehen bleibt. Ein menschenbezogenes, aufmerksames und herdenverträgliches Pferd. Alles positive Eigenschaften, die Sandra im Zusammenleben mit Pferden wichtig findet. Es rattert in ihrem Kopf. Aufgeregt, mit großem Respekt vor dem Vorhaben und voller Freude kommt es zum Pferdekauf. Es bleibt eine Woche, um einen barrierefreien Pensionsstall in der Nähe ihres Wohnorts zu finden. Doch geht nicht, gibt’s nicht für Sandra.
Sie sammelt jede Menge Erfahrung mit ihrem Jungpferd Emmy. Beim Führen und Putzen verfängt sich der Führstrick und Sandra kippt zahlreiche Male mit dem Rollstuhl um. Die Folgen sind Gehirnerschütterungen und drei Knochenbrüche. Auch ihr Elektrorollstuhl muss tagelang in die Werkstatt zur Reparatur.
Das alles hält sie aber nicht davon ab, weiterzumachen. Sandra merkt, dass sie für die Ausbildung ihres Pferdes ihre Beweglichkeit verbessern muss. Mit ihrem normalen Alltagsrollstuhl kann sie sich auf den Sandböden von Ausläufen und Reitplätzen nur schwer bewegen. Doch es ist gar nicht so leicht, einen geländegängigen Rollstuhl zu finden, der auch auf Sand und Schnee fahren kann. In Deutschland werden solche Rollstühle nicht hergestellt, deshalb importiert Sandra schließlich einen Elektrorollstuhl aus den USA.
Mit dem neuen Rollstuhl und selbstentwickelten Führhilfen gewinnt Sandra immer mehr Sicherheit beim Führen und bei der Bodenarbeit mit Emmy.
Sandra ist so stolz und motiviert diesen Weg weiterzugehen. Tage und Nächte überlegt sie, wie sie sich das Leben mit Emmy noch leichter und unabhängiger gestalten kann.
Da sie körperlich nicht in der Lage ist, ein Pferd mit dem Führstrick zu händeln, erlernt sie die Pferdesprache und Freiheitsdressur. Sandra gewinnt mehr und mehr Führungskompetenz dazu und kann Emmy immer sicherer vom Boden aus händeln. Sie erlernt, ihrer Stute Richtung und Tempo vorzugeben und sie im Gelände sicher bei sich zu haben. Grundsätzliche Ausbildungsziele wie das Bewegen in allen Gangarten, Anhalten und Lenken sind für Sandra und Emmy erreicht.
Das nächste Ziel ist, ihr Pferd selbstständig zu reiten. Also macht sie sich auf die Suche nach einer geeigneten Sattlerei. Der Sattel soll an Emmy angepasst sein, doch Sandra braucht auch eine Stabilisierung im Rücken, einen Bauchgurt und eine Fixierung ihrer Füße in den Steigbügeln. Außerdem benötigt Sandra noch einen Festhaltegriff, der in Winkel und Höhe an ihre Bedürfnisse angepasst ist.
Die ersten Schritte im Sattel sind extrem schwierig. Eine Assistentin geht anfänglich zur Sicherheit mit. Sandra muss Muskeln aufbauen und ihre Oberkörperstabilität trainieren. Dazu eine eigene Sprache mit Emmy entwickeln. Ihre Beine sind als Schenkelhilfen nicht zu gebrauchen und ihre Arme sind zu stark eingeschränkt. Doch Emmy gibt sich allergrößte Mühe, Sandra zu verstehen und die beiden verbessern Tag für Tag ihre Kommunikation. Sandra ist in der Lage, das Funktionieren ihrer Arme, Beine und Hände als inneres Bild zu visualisieren. Diese Vorstellungskraft hilft ihr enorm und sie erlangt ein Gefühl von Vollständigkeit mit ihrem Pferd. Dieses Gefühl ist eine besonders wichtige Voraussetzung, um einem Fluchttier wie dem Pferd Sicherheit zu geben.
Ein weiteres Ziel ist erreicht. Sandra reitet mit anderen ReiterInnen in der Reithalle ihres Pensionsstalls und beginnt auch andere Menschen mit ihren Pferden zu trainieren. Sie möchte von nun an Menschen unterstützen, ihre Pferde besser zu verstehen und eine intensive Verbindung aufzubauen, mit ihnen den Weg zu mehr Harmonie, Verständnis und Vertrauen zu gehen. Und sie möchte Pferden helfen, sich zu öffnen und ihre wahre Seele zum Vorschein kommen zu lassen, um letztlich ihren Menschen zu vertrauen. Denn das Hauptbedürfnis eines Pferdes ist Sicherheit.
Sandra kauft 2016 mehrere Pferde, baut einen Aktivstall und eröffnet das barrierefreie Ausbildungszentrum Rolli auf Trab in Hessisch Lichtenau. Sie gibt mit ihrem Team Reitunterricht für Kinder, Jugendliche und Erwachsene nach den Grundlagen des Natural Horsemanship. Wer reiten möchte und dafür besondere Unterstützung benötigt, bekommt sie bei Rolli auf Trab. Von Anfang an werden ReiterInnen mit und ohne Einschränkung gemeinsam unterrichtet und so viele Erfahrungen und Erlebnisse wie möglich werden geteilt.
Reiten ist mehr als ein Sport, Reiten ist Gefühl und Vertrauen. Sandra zeigt neue Wege auf, die sie für sich selbst in der Arbeit mit Pferden entdeckt hat, nicht zuletzt dadurch, dass sie im Rollstuhl sitzt.
Sandra ist mit ihren Pferden viel unterwegs, inzwischen auch auf Messen und anderen Pferdeveranstaltungen oder auch mal im Stadtzentrum in Hessisch Lichtenau. Wer hätte gedacht, dass in der Kleinstadt Hessisch Lichtenau die größten Kunden der Eisdiele Pferde sein werden?
Ein eingespieltes Team:
„Sandra und Emmy“
Mein größter Traum reiten zu können, hat sich erfüllt. Ich möchte dieses schöne Gefühl des Miteinanders mit den Pferden weiter geben und biete auch für Gäste von weiter weg eine Übernachtungsmöglichkeit in unserem barrierefreien Gästezimmer.
Ich lade euch herzlich ein, mich zu besuchen.
Mit meiner körperlichen Einschränkung führe ich ein selbstbestimmtes Leben, ich bin verheiratet, habe zwei wundervolle Kinder (Lisa 30 Jahre und Leon 27 Jahre).